Mittwoch, 23. November 2011

Vom Glücklichsein und vom bösen Wolf


Vom Glücklichsein und vom bösen Wolf
Es war heiß. Wer nicht brauchte, ging nicht auf die Straße. Nur wenige Menschen schlichen schwitzend durch den Schatten. Wir hatten uns verabredet. Draußen vor der Stadt, wo der Wald anfing, wollten wir uns treffen, um gemeinsam zum Waldbad zu fahren. Mutter hatte mir ihr Fahrrad geliehen. Es sah zwar nicht mehr schön aus, aber es fuhr noch sehr gut…


Nachdem ich die letzten Häuser der Stadt passierte, bog ich rechts auf den Schotterweg ab, der in Richtung Waldbad führte. Eine kühle Brise wehte mir ins Gesicht. Vor mir sah ich schon die ersten Baumkronen. Ich fuhr immer dichter in den Wald hinein, wo es eine angenehme Kühle hatte. Die Blätter spendeten den lang ersehnten Schatten. Bis zu unserem Treffpunkt waren es nur noch ein paar Minuten. Keine Ahnung wieso, aber ich bekam dieses Gefühl, dass jemand hinter mir ist… Die andern? Nein, es war ja noch eine halbe Stunde bis wir und treffen sollten. Ich bin schon so früh losgefahren weil… Ja weil, so dumm es auch klingt, ich wollte noch den Wald auf mich wirken lassen. Die Unberührtheit der Natur zu erfahren, die Sicherheit und Standfestigkeit, die die Bäume geben. Das klingt jetzt blöd.
Und da war es wieder dieses Gefühl, das Gefühl, dass mich jemand verfolgt. Ich fuhr weiter ohne mich umzudrehen, immer schneller, immer weiter. Ich atmete in vollen Zügen und wusste, wusste dass das Leben einfach nur schön ist. Ich nahm einen Schluck aus meiner Flasche und wischte mir meinen Mund mit dem Unterarm ab, wie oft hatte man mir schon gesagt, dass man das nicht macht? Und trotzdem setzte ich mich immer darüber hinweg, ich glaube das sind die kleinen Revolten, die die Menschen manchmal einfach brauchen. Um den tristen Alltag zu vergessen und wieder voll einsatzfähig zu sein. Man kann doch nicht immer funktionieren!
Da vorne, da war eine Bank. Ich stoppte, lehnte das Fahrrad an das Holz und setzte mich. So muss sich das perfekte Leben anfühlen! Soweit ein Vierzehnjähriger dies beurteilen kann.
Ich hatte noch genug Zeit, bis die andern kommen würden. Ich dachte wieder an sie, wie immer eigentlich. Sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Sie ist toll, nicht wie die andern… Sie hat noch Charakter und Humor.
Ich war glücklich! Nur glücklich und froh, dass es mir so gut ging. Die ganze Welt könne ich umarmen!
Er packte mich, ich war wie gelähmt. Trotzdem versuchte ich mich zu wehren, ich tritt wie ich noch nie getreten hatte. Ich schrie, wie ich noch nie geschrien hatte! Ich weinte, wie ich noch nie geweint hatte. Er ließ mich einfach nicht los, wollte ich mich seinem Griff entfesseln, so packte er mich noch fester. Wo waren nur die anderen? Meine Freunde, wo waren sie? Er knebelte mich, meine Rufe waren so gut wie nicht mehr zu hören. Was wollte dieser Mann nur von mir?
Ich saß in seinem Transporter am Beifahrersitz und konnte ihn mir genauer ansehen. Ich wischte mir die Tränen weg. Er war um die Vierzig und sah ziemlich unscheinbar aus. Nach zehn Minuten hielten wir auf einem Platz, an dem ausgeschlägert worden war. Lauter Holzstapel um uns. Was wollte der nur von mir? Ich wollte doch mit den andern…zum Waldbad…wo waren eigentlich meine Badesachen?
Ich hatte Angst. Der Mann sah mich verachtend an. Dann öffnete er seine Hose.

Eine Geschichte von Clemens Fröschl

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